Die Verteilung von 226Ra und Silikat und ihre Biogeochemie im Atlantischen Teil des Südozeans
226Ra (Halbwertszeit 1600 Jahre) wird in der Ozeanchemie zu den biointermediären Elementen gezählt, das heißt, dass es im Oberflächenwasser durch Teilnahme an biologischen Prozessen abgereichert, aber nicht vollständig aufgebraucht ist. Aufgrund der Ähnlichkeit der vertikalen Verteilungsprofile von 226Ra und Silikat wurden silikathaltige Hartschaler wie Diatomeen häufig für die Abreicherung von 226Ra im Oberflächenwasser verantwortlich gemacht (Ku et al. 1970). Ein direkter Beweis für den Einbau von Radium in Diatomeenschalen konnte bisher jedoch nicht zweifelsfrei erbracht werden, weder durch Messungen an Planktonproben noch durch Akkumulationsexperimente.Während der Expedition ANT XXVI/3 mit RV Polarstern wurde ein hochauflösender N-S-Schnitt im Oberflächenwasser durch den Antarktischen Zirkumpolarstrom in das Weddellmeer entlang 20° E auf 226Ra und Si beprobt. Die Daten bestätigen die bisher bekannten Verteilungsmuster dieser Elemente: eine starke Zunahme von Nord nach Süd für beide Parameter mit jeweils höchsten Konzentrationen im Bereich des aufsteigenden Zirkumpolaren Tiefenwassers im östlichen Weddellwirbel. Durch die hohe Auflösung konnte jedoch gezeigt werden, dass Variationen in der Si-Verteilung nicht mit vergleichbaren Änderungen in 226Ra-Aktivitäten einhergehen. Darüberhinaus liegen die Hauptgradienten für beide Elemente um etwa 200 km voneinander getrennt. Dies deutet auf eine Entkopplung zwischen beiden Parametern hin.Auf der Basis dieses hochauflösenden Profils in Verbindung mit mineralogischen Überlegungen und Planktonverteilungen schlagen wir Acantharien vor, die diesen Versatz erklären könnten. Acantharien bauen SrSO4-haltige Skelette und haben aufgrund der chemischen Ähnlichkeit von Strontium und Barium einen entscheidenden Einfluß auf die Biogeochemie des Bariums im Meerwasser (Bernstein et al. 1998). Radium, als chemisches Homolog des Bariums, sollte in seiner Verteilung daher in ähnlichem Masse von Acantharien betroffen sein.Die Verteilung von Acantharien im Südozean ist bislang nur unzureichend bekannt, nicht zuletzt, weil sich die SrSO4-haltigen Skelette bei gängigen Beprobungsmethoden schnell auflösen, was zu einer Unterschätzung dieser Gruppe in Planktonstudien führt. Bisherige Verteilungsmuster lassen jedoch auf eine generelle Zunahme der Acantharien von den polaren in die subtropischen Breiten schließen. Erste systematische Auszählungen ergeben für den offenen Antarktischen Zirkumpolarstrom Individuenzahlen bis zu 30 000 pro m3 (Henjes pers. com.). Eine quantitative Auswertung der Acantharienhäufigkeiten in Verbindung mit 226Ra-Bestimmung an Planktonmaterial wäre der nächste Schritt, um die Biogeochemie des Radiums im (südpolaren) Meerwasser besser zu verstehen.Bernstein, R.E., Byrne, R.H. & Schijf, J. (1998): Acantharians: a missing link in the oceanic biogeochemistry of barium. DSR I, 45: 491-505.Ku, T.-L., Li, Y.M., Mathieu, G.G. & Wong, H.K. (1970): Radium in the Indian-Antarctic Ocean south of Australia. JGR, 75:5286-5292.