Der Einsatz hyperspektraler Fernerkundungsdaten zur Klassifikation von Makrophyten im Felswatt von Helgoland


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Inka.Bartsch [ at ] awi.de

Abstract

Die Helgoländer Inseln und das umgebende Meeresgebiet nehmen, insbesondere in biologischer Hinsicht, eine Sonderstellung in der südlichen Nordsee ein. Der felsige Untergrund ermöglicht eine außergewöhnlich artenreiche Meeresfauna und -flora, die sich deutlich von den Lebensgemeinschaften der umgebenden Sedimentböden unterscheidet. Die untermeerischen Gebiete und insbesondere der Gezeitenbereich sind seit mehr als hundert Jahren ein bedeutender Standort der biologischen Meeresforschung (Janke 1990, S. 48ff). Vor dem Hintergrund des Klimawandels und den damit verbundenen Veränderungen ökosystemarer Parameter bildet die Bestandserfassung die Basis für jegliche Bewertungen des Ökosystemzustandes. Verbreitung, Abundanz, Artenverschiebung und Sensitivität von Makroalgen dienen als ein Indikator für den ökologischen Zustand und können gleichzeitig Anzeiger für Veränderungen z. B. von Temperatur, Salzgehalt und Nährstoffeintrag sein (Bartsch & Kuhlenkamp 2004, S. 4ff). Deshalb ist die Entwicklung neuer Methoden zur Erfassung der größtenteils unzugänglichen Küstenzonen von großer Bedeutung. Fernerkundliche Methoden, insbesondere die Anwendung von spektral hochauflösenden Hyperspektralsensoren, eignen sich durch ihre berührungsfreie Funktionsweise besonders und weisen im Küstenmonitoring bereits Erfolge auf (Dekker et al. 2006, S. 345ff). Grundlegende Ziele der fernerkundlichen Studien auf Helgoland sind die Klassifikation und die daraus abzuleitende Quantifizierung, die Erfassung der saisonalen Ausprägungen der Makroalgenbiotope sowie die Analyse spektraler Charakteristika ausgewählter Arten. Es gilt die Verfahren zur Bildanalyse zu verbessern und zu automatisieren. Die Ergebnisse bilden eine Grundlage für Biodiversitätsstudien und Langzeituntersuchungen, wie beispielsweise zu strukturbildenden Arten wie Laminarien und Fucaceen. Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf der Klassifikation des Felswatts, welches bei niedrigen Wasserständen trocken fällt und die Wassersäule somit keinen Einfluss auf die spektralen Signaturen der Makroalgen hat. Die Datenbasis bilden eine Hyperspektralszene des Sensors AISA Eagle aus Mai 2008 sowie umfangreiche Bodenreferenzdaten. Entsprechend der genannten Zielsetzung und den verfügbaren Daten wird folgende grundlegende Fragestellung formuliert:  Inwieweit und mit welchen Methoden ist eine Erfassung der marinen Vegetation im Helgoländer Felswatt mit AISA Eagle-Hyperspektraldaten möglich? Aus dieser zentralen Fragestellung ergeben sich eine Reihe untergeordnete Fragen, die es in dieser Arbeit zu beantworten gilt:  Anhand welcher spektralen Merkmale lassen sich verschiedene Algenarten oder - gruppen fernerkundlich erfassen und voneinander abgrenzen?  Ist eine Klassifizierung verschiedener Makroalgenbiotope durch die Verwendung von Standardklassifizierern möglich?  Welcher Klassifikationsalgorithmus erzeugt die genauesten Ergebnisse?  Sind AISA Eagle-Hyperspektraldaten für diese Aufgabenstellung geeignet oder sind weitere Datenerhebungen notwendig? Die in der Untersuchung angewandten Methoden der Bildbearbeitung und -auswertung ermöglichen eine Differenzierung der Makroalgenbiotope des Helgoländer Felswatts. Demzufolge können die formulierten Leitfragen überwiegend positiv beantwortet werden. Insbesondere das Ergebnis des Maximum Likelihood Klassifizierers auf Basis eines selektierten Datensatzes erfasst die Biotopenstruktur des Gezeitenbereichs zum Aufnahmezeitpunkt der Hyperspektralszene, mit einer Gesamtgenauigkeit von 85,22 % sowie einem Kappa-Wert von 0,82 weitestgehend richtig. Zusammenfassend können folgende Aussagen aus den Klassifikationsergebnissen abgeleitet werden:  Reine Makroalgenbestände wie Fucus serratus, Laminaria digitata und Mastocarpus stellatus können durch den Klassifikationsprozess gut separiert werden.  Die Gruppe der Grünalgen kann ebenfalls eindeutig detektiert werden, eine Differenzierung in verschiedene Grünalgenarten ist jedoch nicht möglich.  Die Nomenklatur der Rotalgenmischbiotope ist nicht ausreichend für eine eindeutige Differenzierung.  Die erreichte Genauigkeit der Klasse Degradierte Fucus-Zone kann nur durch eine visuelle Validation überprüft werden. Limitationen im Klassifikationsprozess ergeben sich hauptsächlich aus den beschriebenen kleinräumigen Strukturen des Gezeitenbereichs im Verhältnis zur räumlichen Auflösung des Sensors von 1 m und der daraus folgenden großen Anzahl von Mischpixeln. Die in der vorliegenden Arbeit angewandten Methoden lassen lediglich eine Klassifikation in „richtig“ oder „falsch“ zu und können somit die Mischpixel nicht ausreichend abbilden. Demzufolge könnte eine Klassifikation auf Basis höherauflösender Hyperspektraldaten den Gezeitenbereich differenzierter erfassen. Da die räumliche Variabilität vieler Makroalgenbiotope, wie beispielsweise die der Klasse Rotalgen/Fucus serratus Gemeinschaft, im Zentimeterbereich vorliegt, ist eine Anpassung der Sensorauflösung technisch nur begrenzt möglich. Bei einer Erhöhung der geometrischen Auflösung kann das Problem der Mischklassen nur begrenzt gelöst werden, da die grundsätzliche Heterogenität auf einer anderen Skala bestehen bleibt. Folglich muss in Abhängigkeit der Aufgabenstellung geprüft werden, ob der Aufwand im Verhältnis zum zusätzlichen Nutzen steht. An dieser Stelle werden Vorschläge für zukünftige Aufgabenstellungen im Bereich der fernerkundlichen Erfassung des Helgoländer Gezeitenbereichs formuliert: (1.) Vor dem Hintergrund der Limitationen durch Mischbiotope stellt das Verfahren der spektralen Entmischung einen geeigneten Ansatz zur Differenzierung dieser Biotope dar. Das Verfahren des Entmischens beruht auf der Annahme, dass die Reflexion jedes Pixels sich in seiner Summe, unabhängig von seiner Größe, aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bestandteile (Endmember) zusammensetzt. In diesem Zusammenhang sind unter Endmember die verschiedenen Makroalgenarten zu verstehen. Die spektrale Entmischung bezeichnet den Vorgang der optimalen Bestimmung der Flächenanteile der Endmember pro Pixel (Richards 2006, S. 385f). So könnten die Mischbiotope differenziert und der Einfluss von Substraten auf das spektrale Signal festgestellt werden. Eine weitere Berechnung der Daten könnte mit Wahrscheinlichkeiten erfolgen. Dieses Verfahren bietet möglicherweise großes Potential zur Abgrenzung der Makroalgenbiotope, ist aber gleichzeitig sehr zeitintensiv. (2.) Desweiteren könnten die von Schulze (2010) gewonnenen Feld- und Laborspektren ausgewählter Makroalgen des Helgoländer Felswatts für den Prozess der Bildanalyse ergänzend genutzt werden. So könnten die Charakteristiken der verschiedenen Makroalgen eindeutig bestimmt und zur Differenzierung der Hyperspektraldaten verwendet werden. (3.) In der vorliegenden Untersuchung ist der berücksichtigte Wellenlängenbereich durch die Sensoreigenschaften definiert und zeigt somit nur einen Ausschnitt des spektralen Signals. Möglicherweise liegen in anderen Wellenlängenbereichen weitere spektrale Merkmale zur Unterscheidung von Makroalgen, dies bedarf einer Prüfung. (4.) Zukünftige Fragestellungen könnten die Übertragbarkeit der Endmember, aber auch der gewonnenen Erkenntnisse zur Differenzierung von Makroalgen auf andere AISA Eagle-Szenen untersuchen. Da die Zeitpunkte der Bildaufnahmen und somit die Wachstumsphasen der Makroalgen variieren, kann auch die spektrale Ausprägung der Biotope deutlich abweichen. Für einen temporären Vergleich saisonaler Aspekte des Gezeitenbereichs bedarf es einer Studie über die spektrale Veränderung der Biotope zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahresverlauf. (5.) Die Zonierung der verschiedenen Makroalgen ist maßgeblich durch die geomorphologische Struktur des Gezeitenbereichs beeinflusst. Daher könnte eine detaillierte Erfassung der Oberfläche des Gezeitenbereichs, beispielsweise durch Radartechnik, für die Klassifikation besonders hilfreich sein. Dabei sollten die Radarbilder die gleiche räumliche Auflösung wie der optische Sensor aufweisen. Grundsätzlich ist Helgoland nicht nur ein interessantes Untersuchungsgebiet, sondern weist durch die intensiven biologischen Forschungen und Felddokumentationen großes Potential für weitere fernerkundliche Studien auf. Die projektbasierte Zusammenarbeit von AWI, AG Fernerkundung der Universität zu Kiel und dem GFZ Potsdam zeichnet sich durch einen interdisziplinären Wissenstransfer aus und ermöglicht somit eine umfassende Forschungsarbeit. Die vorliegende Diplomarbeit ist ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit und bildet eine Grundlage für weitere fernerkundliche Studien von Makrophyten.



Item Type
Thesis (Diplom)
Authors
Divisions
Programs
Publication Status
Published
Eprint ID
25253
Cite as
Eisenhardt, I. (2011): Der Einsatz hyperspektraler Fernerkundungsdaten zur Klassifikation von Makrophyten im Felswatt von Helgoland , Diplom thesis, University of Kiel.


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