Hintergrund und erste Ergebnisse von SO-224 und SO-225 (MANIHIKI II): Das Manihiki-Plateau - Entstehung, Aufbau und Auswirkungen ozeanischer Plateaus und pleistozäne Dynamik des westpazifischen Warmwasserpools
Die FS Sonne-Reisen SO-224 und SO-225 sind Teil des multidisziplinären Forschungsvorhabens MANIHIKI II, das vom AWI und dem GEOMAR gemeinsam durchgeführt wird. Mit diesem Projekt werden bereits im Jahr 2007 mit SO-193 begonnene morphologische, vulkanologische, geochemische und geochronologische Untersuchungen am Manihiki-Plateau im äquatorialen Westpazifik fortgeführt und um neue geophysikalische und paläozeanographische Forschungsansätze erweitert. Das Manihiki-Plateau ist ein untermeerisches Lavaplateau, das mit 550.000 km2 etwa die Fläche Frankreichs einnimmt. Neben dem mit >1,5 Mill. km2 deutlich größeren Ontong Java Plateau und dem Hikurangi-Plateau (0,35 Mill. km2) ist es eine der 3 großen Flutbasaltprovinzen ("Large Igneous Provinces", LIPs) im Südwestpazifik. LIPs repräsentieren die gewaltigsten vulkanischen Ereignisse auf unserem Planeten. Die zugrunde liegenden magmatischen Prozesse haben eine große Bedeutung für den Massen- und Energietransfer aus dem Erdinneren an die Erdoberfläche und somit für unser Verständnis der Prozesse, die im Erdmantel stattfinden. Außerdem hat ihre Bildung einerseits Auswirkungen auf die ozeanische Zirkulation und Umwelt, andererseits könnte der massive Vulkanismus aber auch zur Bildung polymetallischer Lagerstätten geführt haben. Nach der "klassischen" Modellvorstellung werden LIPs auf die Initialphase eines Mantelplumes zurückgeführt, d.h. heißes Material steigt diapirartig von der Kern-Mantelgrenze bis zur Unterseite einer Erdplatte auf, wodurch ein vulkanisches "Mega-Ereignis" ausgelöst wird. Allerdings ist diese Vorstellung heute umstritten. Einige offene Fragen sind, ob LIPs wirklich durch nur ein oder doch durch mehrere magmatische Ereignisse gebildet werden, ob die südwestpazifischen LIPs ihren Ursprung in einem gemeinsamen „Superplume“ haben, über welchem Zeitraum die vulkanische Aktivität anhielt und was deren Ursache und Folgen waren. Das Manihiki-Plateau ist für die Bearbeitungen dieser Fragestellungen prädestiniert, da SO-193 zeigte, dass dort an Störungszonen bis zu ca. 2.000 m mächtige Lavaabfolgen aufgeschlossen sind, die einen einzigartigen Einblick in das Innere des Plateaus erlauben. Mit seiner Lage am südöstlichen Rand des Westpazifischen Warmwasserpools, dem größten Wärmespeicher des Weltozeans, ist das Plateau und der angrenzende Tiefseeboden zudem eine Schlüsselregion für ein besseres Verständnis der Paläozeanographie des Pazifiks und ihrer Auswirkungen auf das globale Klima. Auf der vom AWI koordinierten Reise SO-224 wurden schwerpunktmäßig geophysikalische Vermessungen (Refraktionsseismik und Reflexionsseismik) durchgeführt, mit denen u.a. die Struktur der magmatischen Kruste des Manihiki-Plateaus und der darauf lagernden Sedimente erfasst wurde. Eine erste Auswertung ca. 2.200 nm hochauflösender reflexionsseismischer Profile an Bord zeigt, dass sein östlicher Teil ("High Plateau") mit söhligen Sedimenten bedeckt ist, die durch viele Störungen bis hin zu Gräben und Intrusionen deformiert sind (Abb. 1a). Im Basement lassen sich tiefere Intrabasementreflexionen identifizieren, die eine Mehrphasigkeit des Magmatismus, unterbrochen von der Ablagerung von Sedimenten wie z.B. Vulkaniklastika, dokumentieren. Eine Korrelation mit Ergebnissen des "Deep Sea Drilling Program" (Leg 33, Site 317) ermöglicht eine Zuordnung von Lithologie und Altern zu den seismischen Horizonten. Die hervorragende Kontinuität der Reflektoren wird die Auswahl von drei Lokationen für geplante Bohrungen (IODP Proposal 630) erlauben. Dafür sind eine Vielzahl von Kreuzpunkten seismisch erfasst worden. Zu den Flanken des Plateaus hin keilen die Sedimentpakete abrupt aus. An seiner Ost-, Süd- und Westflanke lassen sich Basementrücken identifizieren, welche den Übergang in die umgebende Tiefsee markieren (Abb. 1b). Diese Basementrücken deformieren die kretazischen Sedimente, was darauf hindeutet, dass sie nach der initialen Bildungsphase des Manihiki-Plateaus entstanden sind und seine tektonische Weiterentwicklung dokumentieren. Abb. 1: (a) Profil AWI-20120001 über das zentrale High Plateau, wo deutlich eine die kretazischen Sedimente deformierende Intrusion zu erkennen ist (b) Profil AWI-20120004 vom High Plateau über den Manihiki Scarp in die Tiefsee. Eine erste Durchsicht der Refraktions- und Weitwinkelreflexionsdaten, die entlang von zwei Ozeanbodenseismometer-Profilen über den Westen des Manihiki-Plateaus ("Western Plateaus") und dem High Plateau und seinen Plateaurändern gewonnen wurden, zeigt, dass die Kruste des Manihiki-Plateaus bis zu 22 km mächtig ist und aus mehreren magmatischen Schichtpaketen besteht. Dieser geschichtete Aufbau lässt sich durch stark reflektierende Horizonte in der Kruste nachweisen. Die großen Amplituden dieser Intrakrustenreflexionen deuten darauf hin, dass Sedimentpakete von mehreren 100 m Mächtigkeit zwischen länger andauernden Eruptionshasen abgelagert wurden. Die gute Qualität der aufgenommenen P- und S-Wellenphasen ermöglichen eine detaillierte Analyse und Modellierung des Aufbaus und der Zusammensetzung der Kruste und des oberen Mantels. SO-224 hat aber auch Grundlagen für die folgende Reise SO-225 geliefert (Abb. 2), die kurz nach Abfassung dieses Beitrags begann. Hier liegen die Schwerpunkte zum einem auf einer stratigraphisch kontrollierten Beprobung der Lavaabfolgen des Plateaus mit dem Tiefseeroboter ROV Kiel 6000, um die genaue zeitliche, räumliche und kompositionelle Entwicklung des Manihiki-Plateaus zu erfassen. Zum anderen werden Tiefseesedimente und die darüberliegenden Wassermassen beprobt, um neue Erkenntnisse über die Dynamik und Entwicklung des Westpazifischen Warmwasserpools während der letzten ca. 3 Mill. Jahre, die möglichen ozeano-graphischen Wechselwirkungen zwischen dem Pazifik und dem Südozean und deren klimatische Folgeerscheinungen zu gewinnen. Vom Zusammenbringen der Ergebnisse von SO-224 und SO-225 mit den bereits vorhandenen Daten erwarten wir neue Erkenntnisse über die Ursachen und Auswirkungen von vulkanischen Großereignissen, die Bildung von LIPs und über die Paläozeanographie und das Paläoklima des äquatorialen Westpazifik. Abb. 2: Karte des Manihiki-Plateaus mit den Arbeitsgebieten von SO255 (GEBCO_08 Grid, http://www.gebco.net). Rot markiert sind die Störungszonen, an denen Basementsequenzen des Plateaus mit dem ROV Kiel 6000 beprobt werden, gelb die Arbeitsgebiete der Paläozeanographie.
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