Langfristige Klimaänderungen auf tektonischen Zeitskalen
Ein besseres Verständnis über die klimatischen Prozesse des Systems Erde in langen Zeitskalen erfordert ein Verständnis der Beziehung zwischen tektonischen und geodynamischen Prozessen von plattentektonischen Rekonstruktionen zur Analyse von magmatischen Ereignissen und sedimentären Vorgängen. Die globale ozeanische Zirkulation steht im direkten Zusammenhang mit der Formation von Tiefen- und Bodenwassern in den polaren Becken sowie der bathymetrischen und morphologischen Ausformung der Öffnungen (gateways) zwischen den Ozeanen. Als wichtiges Beispiel steht die Framstraße im Fokus des Verständnisses über den Zusammenhang zwischen der tektonischen und sedimentären Entwicklung, den Veränderungen der ozeanischen Zirkulation zwischen dem arktischen and dem atlantischen Ozean und die Vereisung der Nordhalbkugel. Die neueste paläobathymetrische Rekonstruktion ergab ein Alter von ca. 17 Millionen Jahren für den Beginn der Tiefenwasseröffnung. Die Entwicklung von konsistenten Alters- und Paläo-Wassertiefenmodellen für die känozoischen Ablagerungen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Rekonstruktionen der Paläoumwelt der Polargebiete. Neben den klassischen Sedimentbecken repräsentieren insbesondere Sedimentdriftkörper und Konturite nutzbare Archive der Bodenströmungen und Wassermassenintensität, so dass deren Untersuchung Hinweise zu Änderungen der Zirkulation ergeben. Tektonische Ereignisse und ihre Folgen für die Entwicklung von Sedimentbecken und Gebirgen haben entscheidenden Einfluss auf die Dynamik der Eisschilde seit dem Beginn der Vereisung der Antarktis und der Nordhalbkugel. So deutet die paläotopographischen Rekonstruktion der Antarktis auf einen wesentlich größeren initialen Eissschild an der Eozän-Oligozän-Übergang als zuvor angenommen. Unter dem Einfluss der krustalen Dehnungsprozesse des westantarktischen Riftsystems und der Erosionsprozesse zahlreicher glazialer Zyklen entwickelte sich der heutige westantarktische Eisschild mit primär subglazialer Basis, die dessen klimatische Sensitivität ausmacht. Die Ergebnisse des internationalen ANDRILL-Projekts auf dem Rossmeerschelf deuten auf ein sehr dynamisches Verhalten des westantarktischen Eisschildes zum Beispiel im Pliozän, einer Epoche mit einer atmosphärischen Zusammensetzung, die mit der heutigen vergleichbar ist. So zeigen die Bohrdaten direkte Hinweise auf orbital-induzierte Oszillationen des Eisschildes mit periodischen Rückzügen, die zu lang andauernden eisfreien Zeiten im Rossmeer führten, als globale Temperaturen ca. 3°C höher waren als heute, aber der Kohlendioxidanteil mit 400 ppm in der Atmosphäre dem heutigen entspricht. Insofern sind in zukünftigen Projekten insbesondere die Untersuchungen der Epochen von Interesse, die einen Analog oder aber auch Paradox zu den heutigen klimatischen Bedingungen in Verbindung mit Eisschildrückzügen liefern.
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