Gespür für Schnee Anwendungen der Röntgen-Computer-Tomographie in der Polarforschung
Strukturuntersuchungen an Schnee und Eis liefern wichtige Beiträge zu relevanten Fragestellungen in der Polarforschung wie beispielsweise zur Eisschild-und Meereismodellierung, zur angewandten Lawinenforschung und im größeren Rahmen zur Klimaforschung. Auf einem polaren Eisschild verdichtet sich der Schnee durch die Auflast von Neuschnee zu Eis. Diese Form der Drucksinterung vollzieht sich über mehrere 100 Jahre hinweg in den obersten 50-100 m Schneeauflage. Der kompaktierte, schichtenweise abgelagerte Schnee eignet sich perfekt als Studienmaterial, um Sinterungsprozesse im Detail zu untersuchen.In diesem Vortrag wird die Anwendbarkeit der Röntgen-Computer-Tomographie auf Schnee- und Eisstrukturen aufgezeigt und am Beispiel der Untersuchung einzelner Verdichtungsstadien längs eines 80 m langen grönländischen Eiskerns vorgestellt. Aus den rekonstruierten Schneekuben werden die Poren- und Eisclustergrößenverteilungen sowie die spezifische Oberfläche bestimmt und daraus der Einfluss der Eisclustergröße auf die Verdichtung abgeleitet. Zudem werden die dreidimensionalen Eismatrizen als Randbedingung für die Modellierung von Advektions- und Diffusionsvorgängen benutzt. Die Modelle basieren auf einem Gitter-Boltzmann-Formalismus, durch den die effektiven Diffusionskoeffizienten und die Permeabilität der Lufträume im kompaktierten Schnee bestimmt werden können. Diese Struktureigenschaften fließen in eine größerskalige Modellierung des Gastransports ein, der wiederum zur Interpretation des einzigartigen Gasarchivs des Eises von herausragender Bedeutung ist. Denn im polaren Eis der Erde findet man eingeschlossene Luftblasen, die die Atmosphäre der vergangenen 100 000 Jahre archiviert haben - ein Grundbaustein zum Verständnis des Erdklimas.